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Mahler auf der Couch

So interessant die Lebensgeschichte um einen völlig bornierten Komponisten um die vorletzte Jahrhundertwende sein mag: Ich wäre beinahe eingeschlafen. In “Mahler auf der Couch” werden um die historisch belegte Begegnung Mahlers mit Siegmund Freud ständig Rückblicke in die Vergangenheit gehalten und chronologisch Szenen aus einer Ehe mit einer “liebestollen” Alma gezeigt, um das drohende Fiasko zu erklären.

Das mag spannend für jemanden sein, der die Geschichte nicht schon zehn Mal gehört hat. Sie ist es ja auch. Die Schnitte heraus aus einer Gesprächssituation lassen das Unterfangen aber nicht besonders originell erscheinen. Gelegentlich wirkt es sogar übertrieben theatralisch, wenn eine von Mahlers Sinfonien stetig lauter wird, während er den an Alma gerichteten Liebesbrief von Walter Gropius öffnet und daraufhin beinahe in Ohnmacht sinkt.

Seltsamerweise taucht Mahlers berühmte, in Verzweiflung für Alma geschriebene achte Sinfonie an keiner Stelle des Films hörbar auf. Hm, einen kleinen Eindruck davon vermittelt vielleicht das zirka sechsminütige Ende, interpretiert von Simon Rattle und dem National Youth Orchestra in der Royal Albert Hall (japanische Untertitel bitte krampfhaft ignorieren):

Zirka Eintausend Menschen für eine derartige Liebeserklärung zu motivieren, mag für den einen oder die andere einen Beweis für romantisches Denken darstellen. Letztendlich handelt es sich dabei aber bloß ein Indiz für größtmöglichen Wahnsinn, wie er unter klassischen Komponisten (zumindest denen mit Erfolg) weit verbreitet zu sein scheint.

Gustav Mahler traf sich mit Freud wegen des gefundenen Briefs im Sommer 1910. Am 12. September wurde die 8. Sinfonie in München uraufgeführt. Am 18. Mai 1911 verstarb der Komponist michaeljacksonesque und fünfzigjährig, wegen eines Herzleidens.

Da wäre mir doch beinahe ein Thema für einen Film in die Tasten geglitten, ogottogott.

P.S.: Das, was “Zahnersatz” in den Kommentaren sagt.

Ein Kommentar

  1. zahnersatz schrieb:

    Die 8. von Mahler gab es übrigens vergangenen Freitag und Sonntag bei den Bielefelder Philharmonikern zu sehen. Mit dabei waren der Chor des Musikverein der Stadt Bielefeld, der Oratorienchor Bielefeld, der Chor der Universität Bielefeld, der Knabenchor der Chorakademie am Konzerthaus Dortmund, der Bielefelder Opernchor und der Extrachor des Theater Bielefeld.
    An den Instrumenten die Bielefelder Philharmoniker und die Bergischen Symphoniker. War also recht voll auf der Bühne und es war groß, gleichzeitig das Abschiedskonzert von Peter Kuhn, der nach 12 Jahren seinen Posten als Generalmusikdirektor Bielefelds verlässt. Überhaupt: die 8. Symphonie von Mahler unbedingt live ansehen, wenn man die Gelegenheit dazu hat, es ist ein riesen Unterschied zu Konserve, gerade bei so vielen Stimmen auf der Bühne, ein Aufnahme kann das nur sehr schwer fassen. Vielleicht ergibt sie sich ja nochmal eine Gelegenheit dazu während des “Mahler-Jahres”.

    Freitag, 16. Juli 2010 um 5:36 | Permalink

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